Während das bildnerische
Werk Maria Lassnigs internationale Bekanntheit erlangt hat, ist ihr umfangreicher schriftlicher Nachlass größtenteils unbekannt.
Dieser umfasst zahlreiche Texte, die Lassnigs bildnerisches Schaffen von Anfang an begleiten und von eigenständiger literarischer
Qualität sind. 1999 kommentiert Lassnig in einem ihrer unzähligen Notizbücher ihre Texte: »Erinnerungen aufzuschreiben wäre
eine Aufgabe. Diese Aufzeichnungen hier werden existentiell geboren. […] Meine kleinen Weisheiten, die sich wie Moränen neben
den Gletscherzungen der Geschehnisse ansammeln.«
Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt der Maria Lassnig
Stiftung mit dem Literaturhaus Wien und setzt sich inhaltlich das Archiv als Ausgangspunkt, um die mannigfaltigen ästhetischen
und persönlichen Austauschprozesse zwischen Lassnig und der Literatur zu beleuchten. Die nachfolgenden biografischen Beispiele
verdeutlichen, dass Lassnig mehr als andere bildende Künstler*innen an der Schnittstelle zur Literatur verortet ist.
Nach Abschluss ihres Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien 1945 bezieht sie ein Atelier in Klagenfurt, das
zum Treffpunkt von Kunstschaffenden, Literat*innen und Intellektuellen wird. Zu den Besucher:innen zählen u. a. der Schriftsteller
Michael Guttenbrunner, der Herausgeber der Surrealistischen Publikationen Max Hölzer, der Kunsttheoretiker Heimo Kuchling,
die Verlegerin und Galeristin Edith Kleinmayr sowie der Lyriker und Kulturreferent des Landes Kärnten Johannes Lindner. Mit
Guttenbrunner führt Lassnig von 1946 bis 1948 eine intensive Liebesbeziehung, die in eine lebenslange Verbundenheit mündet.
Auf Vermittlung der Surrealisten Edgar Jené und Max Hölzer trifft Lassnig bei ihrer ersten Parisreise im Jahr 1951
André Breton und Benjamin Péret, von denen letzterer einen Text über sie schreibt.
In den 1950er-Jahren pflegt
sie Kontakte zur Wiener Gruppe und ihrem Umkreis, u. a. H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Gerhard Rühm, Ernst Jandl, Elfriede
Gerstl, Friederike Mayröcker und Oswald Wiener. Mit Mayröcker entsteht 1984 das Buch Rosengarten mit Prosastücken Mayröckers
und einer Radierung Lassnigs.
Von 1960 bis 1968 verlegt Lassnig ihren Lebensmittelpunkt nach Paris, wo sie mit
dem Autor Paul Celan und dessen Frau Gisèle freundschaftlich verbunden ist.
Ich glaube, ich habe es sehr genossen,
richtige Dichter kennenzulernen, obwohl ich zu der Zeit und auch später kaum über Literatur mich mit ihnen unterhielt – es
war mehr eine Lebenserfahrung und die hat sich niedergeschlagen. Die ersten Lieben, die ersten Kunsterfahrungen, vor allem
die Zweifel.
Weil mir die Worte nicht so leicht zukamen und noch weniger aus dem Mund flossen, weil ich ursprünglich
unter Literatur Reime machen verstand – traute ich mir als 20-Jährige sowas wie »Schreiben als Dichter« überhaupt nicht zu.
Tu es auch heute nicht. Nur bei Lektüre von Tagebuchaufzeichnungen von den Größen oder von jungen Zeitgenossen dachte ich
oft: »Das habe ich genauso auch gedacht, nur nicht aufgeschrieben.«Maria Lassnig: Dezember 1999
Kurator*innen:
Marlene Himmer
(Maria Lassnig Stiftung)
Stefan Maurer
(Literaturhaus Wien)
Ausstellungsgestaltung:
Gerhard Himmer
Eröffnung // Do, 12.09.2024, 19 Uhr
Sonderführung // Sa, 14.
09.2024, 16.30 Uhr
Kurator*innenführungen // Fr, 22.11.2024, 14.30 Uhr; Fr, 13. 12.2024, 14.30 Uhr
Laufzeit // 14.09.2024
bis 30.01. 2025
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