Ausstellung „Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game“ eröffnet heute

Graphisches Werk von Lill Tschudi erstmals zu sehen – Bezüge zu Franz Čižek
10.10.2023
Die neue Ausstellung Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game in der Universitätsgalerie der Universität für angewandte Kunst Wien in der Wiener Innenstadt wird heute Abend, 10. Oktober 2023, eröffnet. Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game ermittelt Verhältnisse von künstlerischer Praxis und Lehre im 20. Jahrhundert, indem sie zwei Figuren auf besondere Weise in Dialog setzt. Im Zentrum der Zusammenstellung steht das druckgraphische Werk der Schweizer Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004), das im Rahmen einer Kooperation der Angewandten mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich erstmals in Österreich gezeigt wird. Die Wiener Schau erweitert diese monografische Perspektive, indem sie Bezüge von Tschudis Arbeiten und den Beständen von Kunstsammlung und Archiv der Universität, die die Reformpädagogik des in Wien lehrenden Künstlers Franz Čižek (1865–1946) dokumentieren, untersucht.
Tschudi und Čižek werden dafür als exemplarische künstlerische Positionen im Europa der Zwischen- und Nachkriegszeit betrachtet, in der sich Aspekte der angewandten und bildenden Kunst sowie von Abstraktion und Figuration gegenseitig durchdringen. Sowohl Tschudis künstlerische Arbeiten als auch Čižeks Pädagogik sind mit der Entwicklung des modernen Farbdrucks ebenso wie mit Reformtendenzen in Gesellschaft und Pädagogik und der Entdeckung der „Kunst der Kinder“ um 1900 verknüpft. Lill Tschudi studierte 1929 an der Londoner Grosvenor School of Modern Art bei dem britischen Künstler Claude Flight (1881–1955) Linolschnitt. Flight integrierte nach einer persönlichen Begegnung mit Čižek dessen Ansätze in den eigenen Unterricht. In der Einleitung seines 1934 erschienenen Buchs The Art and Craft of Lino Cutting and Printing, das er mit Linolschnitten von Kindern und Arbeiten seiner Studierenden gleichermaßen illustrierte, nennt er Čižeks Arbeitsweise als Vorbild für eine vom künstlerischen Tun von Kindern abgeleitete Suche nach Ausdruck und „emotionaler Organisation“. Čižeks Haltung und Arbeitsmethoden in seiner 1903 gegründeten und später in die Wiener Kunstgewerbeschule eingegliederte Jugendkunstklasse gewannen insbesondere im angloamerikanischen Raum früh an Ansehen; in zahlreichen internationalen Wanderausstellungen gingen Arbeiten seiner Schüler:innen auf Tournee. Die Klasse war darauf ausgerichtet, Kinder und Jugendliche in unterschiedlichsten Techniken und Materialien zu unterrichten sowie in gemeinsamen Besprechungen selbsttägig die eigene kreative Entfaltung zu ermöglichen.

Die Ausstellung untersucht den neuen Status der künstlerischen Arbeit von Kindern als eigenständige, vorbildhafte und ausstellungswürdige Praxis und die Funktion vergleichsweise einfacher Techniken wie die des Linolschnitts, wie sie in Čižeks und Flights Lehre sowie in Tschudis künstlerischer Praxis etabliert und genutzt wurden, in ihrem Verhältnis zu gesellschaftlichen Transformationen und künstlerischen Neuerungen. Neben der Relevanz publizierter Druckgrafiken für Tschudis Entwicklung – etwa jene von Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978), deren Tierdarstellungen sie vermutlich über die Jugendrotkreuz-Zeitschrift kennenlernt – und dem Kontext der Wiener sozialdemokratischen Bildungsreform interessieren mögliche „stilistische Ansteckungen“ (Barbara Wittmann), Verwandtschaften und Übersetzungen, die der institutionellen Umgebung der Jugendkunstklasse geschuldet waren. Das Interesse Čižeks für sogenannte „Volkskunst“ oder die Druckgrafik der Wiener Werkstätte überschnitt sich beispielsweise mit einer von ihm angeregten eklektischen Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Avantgardebewegungen wie dem Futurismus oder dem Kubismus, über die sich die Studierenden seiner Kurse für „Ornamentale Formenlehre“ Problemen von Bewegung, Raum und Zeitlichkeit näherten. Vergleichend wird nach der Rolle des britischen Vortizismus für die Grosvenor School für das Werk Lill Tschudis gefragt, das neben einigen Aquarellen und Gemälden mehr als 450 Linolschnitte umfasst, die von dynamischen Darstellungen großstädtischer Alltagszenen, Sport- und militärischen Sujets charakterisiert sind.

In der Ausstellung Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game werden personelle, historische und formale Bezüge zwischen Lill Tschudis und Franz Čižeks Praktiken mittels spielerischer Schichtungen und Querschnitte lesbar gemacht und in ihrem Verhältnis zu internationalen Formationen und Fragestellungen der Moderne diskutiert.

Die Ausstellung bezieht sich auf die Schau Lill Tschudi. Die Faszination des Linolschnitts 1930–1950, die 2021–22 an der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen war.

Eine Ausstellung von Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien in Kooperation mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich.

Zeit: Ausstellungseröffnung: 10. Oktober 2023, 18 Uhr
Ausstellungsdauer: 11. Oktober – 16. Dezember 2023
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 14 bis 18 Uhr. Eintritt frei.
Ort: Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof, 1., Schönlaterngasse 5
 
Kuratorisches Team: Stefanie Kitzberger und Robert Müller in Kooperation mit Alexandra Barcal (Graphische Sammlung ETH Zürich) // Ausstellungsorganisation: Judith Burger, Laura Egger-Karlegger // Gestaltung: Robert Müller // Recherchen und Begleitheft: Laura Egger-Karlegger, Stefanie Kitzberger, Eva Marie Klimpel, Ursula Prokorny, Robert Müller
Lill Tschudi, Tour de Suisse, 1935, Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin Download
Lill Tschudi, Telephonmonteure, 1932, Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin Download
Lill Tschudi, Leporello, um 1935 - 1955 [undatiert], Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin Download
Norbertine Bresslern-Roth, Kampf (Tintenfisch und Languste), 1923 Graphische Sammlung ETH Zürich © Neue Galerie Graz
                                          Universalmuseum Joanneum Download
Ilse Bernheimer, Stubenring, um 1915 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien Download
Sylvia Penther, Schule Franz Čižek, Stadt und Figuren, um 1922 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte
                                          Kunst Wien Download
Jugendkunstklasse Franz Čižek, Adelheid Schimetschek, Stadtbild, um 1929 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für
                                          angewandte Kunst Wien Download
L'Exposition des arts decoratifs et industriels modernes, Raum der Kunstgewerbeschule Wien (Franz Čižek), Paris
                                          1925 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Bruno Reiffenstein Download
Elisabeth Karlinsky, Ornamentale Komposition, um 1925 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst
                                          Wien Download
Erika Giovanna Klien, Unterrichtsmanuskript Greek Child, 1925-1935 © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte
                                          Kunst Wien Download
Lill Tschudi, Kirchweih I, Linolschnitt, Sammlung Glarner Kunstverein, 1934, Foto: Michel Gilgen Download
Ausstellungsansicht, Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
                                          © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com Download
Ausstellungsansicht, Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
                                          © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com Download
Ausstellungsansicht, Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
                                          © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com Download
Ausstellungsansicht, Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
                                          © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com Download
Ausstellungsansicht, Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
                                          © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com Download